Hallo!
Ich fahre nun seit 1,25 Jahren meinen VW ID.3, mittlerweile rund 38.000km gefahren. Letztens bin ich mit meinem Auto rund 1.500km von Lüneburg nach München und wieder zurückgereist (und Corona mitgebracht, yeah!) und mir ist aufgefallen, wie entspannt und ruhig man eigentlich über Themen, die vor einigen Jahren mit Elektroautos noch eine Lotterie waren.
Zu mir:
Ich bin 27 Jahre alt und mein ID.3 ist mein erstes eigenes Auto. Ich bin beruflich IT-Projektmanager und dadurch viel unterwegs, nutze aber die Breite der Mobilitätslösungen sehr gerne (Bus, Fahrrad, E-Scooter, Bahn, Ridesharingservices wie MOIA). Dadurch kann ich mir jederzeit ein ehrliches Bild einfangen, welches Verkehrskonzept wie funktioniert.
Ich hatte bereits vor einem Jahr ein Langstrecken-Erfahrungsbericht zur Nordschleife geschrieben. Wer es nachholen möchte: Roadtrip zur Nordschleife - 1.000km Langstreckenerfahrung - Reisen, Touren & Road-Trips mit dem Elektroauto - VW ID Forum (meinid.com)
Ich habe bewusst den Titel so gewählt, da ich auf meiner München-Reise sehr überrascht war, wie problemlos meine Routenplanung war. Denn: Ich hatte keine geplant. Die einzige Vorbereitung war abends zuvor den Akku auf 100% zu laden. Dazu später mehr.
Nun aber zum Auto.
Im Februar 2021, als ich mein Auto abgeholt habe, begann für mich eine neue Ära: Das erste eigene Auto. Wie sehr ich mich darüber gefreut habe. Und ich spoiler schon mal: Ich bereue keinen einzigen gefahrenen Meter mit diesem Auto.
Das Auto bietet alles für einen Single-Haushalt: 4 Sitzplätze beim Pro S Tour, 350km Reichweite im Winter, 450km Reichweite im Sommer, Kofferraum für ein paar Bierkisten. Auch 55"-Fernseher passen entspannt hier hinein. Kurzum: Wer aus der Golf-Klasse kommt und mehr nicht braucht, aber Lust mit auf Elektromobilität hat, der macht mit dem ID.3 nichts falsch.
Aber wie kommt was zustande:
Verbrauch auf Pendler-Strecke:
Mein Fahrprofil in der Pendler-Situation ist sehr entspannt: 5km Stadt zur Autobahn, 30km Autobahn ohne Tempobegrenzung, Travel-Assist meist zwischen 120-130km/h eingestellt, danach nochmal 15km Autobahn mit 120km/h Tempolimit, hier meist mit 110km/h Travel-Assist und dann nochmal 5km Stadt zum Büro. Ich brauche in meiner Standardrunde 43-48min ohne Stau. Im Sommer ist die Klimaanlage auf 23-25 °C eingestellt, wenn es sehr warme Tage sind. Im Winter fahre ich mit 21 °C Heizung (mein Auto hat eine Wärmepumpe) und an mittelwarmen Tagen sind es meist 20 °C ohne Klimazuschaltung.
Meine Durchschnittsverbräuche:
Herbst/Frühling: 16,5 - 18,0 kW/h auf 100km
Winter: 22,1 - 25 kW/h auf 100km
Sommer: 14,9 - 17,3 kW/h auf 100km
Im Jahresschnitt komme ich ca. auf 18,6 kW/h auf 100km. Meine tatsächliche Auswertung an der Ladesäule über TRONITY bestätigt dies mit den Ladeverlusten bei rund 19,2 kW/h auf 100km.
Fahren:
Das Auto wird von den Mitfahrenden als sehr "ausgewogen", "komfortabel", "neutral" und "leicht sportliche Note" beschrieben. Ich fahre das Auto eher "sportlich", lasse gerade auf Autobahnen gerne den Travel-Assist laufen. Dadurch empfinde ich das Fahrverhalten bei Bodenwellen auch als "ausgewogen". Dabei ist es hier egal, ob ich alleine im Auto sitze oder mit max. 2,2t drei weitere Passagiere dabeihabe. Was tatsächlich etwas störend ist, ist der Lenkwinkel. Gerade in der Stadt habe ich es regelmäßig, dass es gerne in ein Gekurbel endet. Dabei muss man differenzieren: Der Wendekreis ist dank des Konzeptes sehr gut, nur etwas weniger Lenkeinschlag darf es gerne beim Auto sein.
Technik/Bedienung:
Technisch hat mein Auto einige Krankheiten mitgenommen.
Chronologisch:
Bei Auslieferung funktionierte mein Apple CarPlay nicht. Da ich das Navi damals nicht getraut habe, war es mehr als ärgerlich und für mich ein echter Mangel. Dabei war das Infotainment-System performancetechnisch wirklich nicht gut mit der Software 2.1. Kurzum: Es machte keinen Spaß, das Auto zu bedienen. Dieser Fehler wurde in der Werkstatt ca. 4 Wochen später behoben, allerdings nur mit einem neuen Steuergerät und zwei Wochen Wartezeit.
Im Juli ging es zur nächsten Rückrufaktion: Bei der Neuinstallation von 2.1 wurde eine Komponente nicht richtig geupdated. Dies hat drei Werktage gedauert, da die Installation auch anfangs nicht sauber durchlaufen wollte.
Im September gab es dann die 2.3. Das Update lief sauber durch und seitdem nutze ich das Infotainment-System doch recht gerne. Die Performance-Probleme sind beseitigt, die Menüführung deutlich besser geworden.
Im November... Beim Ausparken eines Dienstages sind alle Bildschirme ausgefallen und hatte noch nicht mal mehr eine Geschwindigkeitsanzeige. Keiner konnte eine Lösung finden, sodass das Auto rund 2 Wochen in der Werkstatt war und am Ende wurden alle Steuergeräte getauscht. Leider war das nicht das Ende: Darüber hinaus konnte die eSIM nicht mehr aktiviert werden, sodass auch dieses einmal komplett resettet werden muss.
Im Prinzip war das Auto 4 Wochen offline und die Tatsache, dass man nicht mal die Klimaanlage steuern kann, war wirklich an kalten Tagen nahezu unbrauchbar.
Interessantes Detail, welches ich letzte Woche festgestellt habe: Durch den Totalausfall wurde wohl auch mein Wartungsintervall zurückgesetzt. Statt das Auto für März 2023 mit der ersten Wartung aufweist, möchte das Auto seine Wartung erst im Januar 2024 sehen.
Die Bedienung ist grundsätzlich in Ordnung. Ich persönlich habe keine Probleme mit der Touch-Steuerung. Die Sprachsteuerung ist mit Version 2.3 für mich derzeit noch unbrauchbar. Ich bin aber ehrlich: Richtige Knöpfe wären toll. Das spart Fehleingaben.
Über grundsätzliche Patzer wie die nicht beleuchtete Sensor-Leiste unter dem Infotainment-System gehe ich hier nicht weiter ein. Wir wissen alle, dass sowas beleuchtet sein muss.
Zu den Assistenzsystemen und Licht gibt es nur das zu sagen: Die automatische Tempoanpassung ist leider im aktuellen Stadium unbrauchbar, da auf der Autobahn der Travel Assist einmal von 130 auf 10km/h runterbremsen wollte. Glücklicherweise kann man diesen dort deaktivieren. Der Travel Assist ist wirklich gut und entspannt das Autofahren wirklich ungemein. Fahrspuren werden sauber erkannt, auch in den Baustellen. Fehleingaben gab es bei mir nur sehr wenige. Dadurch kann ich den ACC, Spurhalteassistent und Totwinkelassistent abkürzen: Läuft!
Beim Fernlichtassistenten gibt es Licht und Schatten: Mal schaltet er sich zu früh ein, mal schaltet die Automatik auch zu spät ab und blendet gerade auf der Autobahn den Gegenverkehr. Gerade weil der Hersteller eine blendende Sicht verspricht, möchte ich diesen so oft wie es geht nutzen. Auf der Landstraße weniger ein Problem als auf der Autobahn. Generell bietet der ID.3 mit dem IQ.Light ein sehr gutes Licht auch ohne Fernlicht.
Langstreckentauglichkeit:
Hier kommen wir wieder zu meiner München-Reise zurück. Wie beschrieben, hatte ich zu dieser Reise eine einzige Vorbereitung: Das Vollladen auf 100%. Alles andere habe ich hier das VW-Navi überlassen auf dem Weg in die Allianz-Arena sowie Übernachtung im Hotel.
Die Gesamtstreckenlänge pro Richtung waren 720km mit einem fixen Stopp, da ich Freunde aus meiner Heimat abgeholt habe. Nach dem Navi hatten wir nach rund 3,5 Stunden und 350km unseren ersten Ladestopp gehabt. Da aber einer nach rund 2,5 Stunden schon bereits aufs Klo musste, mussten wir mit 32% Restladestand an die Ladestation anfahren, was dazu geführt hat, dass wir nicht die volle Ladeleistung erreicht haben. Ende vom Lied: Ich hätte das Auto nicht vollladen sollen, somit haben wir knapp 30 Minuten auf der gesamten Strecke verloren.
Aber gut finde ich: Die Routenplanung war realistisch auch mit den Pausen. Ich bin niemand, der 5 Stunden nonstop durchfährt und habe mich über die 2-2,5 Stunden Fahrtstrecken gefreut, weil das für mich eine optimale Fahrzeit ist. Ich habe aber auch dem Auto gesagt, dass ich bis max. 70% laden möchte, weil 80% dann mit knapp 38min doch etwas zu lange als Pause war.
Wir haben eine Fahrzeit von 5:45 Uhr von mir zuhause bis 14:10 Uhr ins Hotel gehabt inkl. 3 Ladestopps. Und da freue ich mich auf ein Feature in Zukunft mit Version 3.0: Ich bin halt auch nur mit 10% Restladestand angekommen, hätte aber gerne 30% Restladestand gehabt.
Als Referenz: Ich bin im Jahr März 2021 exakt dieselbe Strecke mit einem Seat Leon 1.4 TSi BJ 2020 und 150 PS mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 98km/h und recht kalten 3-5°C mit einer Tankfüllung von 6,0l in 7:30h durchgefahren. Allerdings auch mit einer kompletten Pause weniger und einer kurzen 5min-Pinkelpause anstatt 20min Ladepause.
In München hatte ich dann vor Abfahrt das Auto auf 90% geladen, da ich wusste, dass sonst der erste Stopp wieder zu lange auf sich warten ließ. Auch hier wieder: Mach Navi.
Drei Stopps a 20 min, alles super. Alle sicher und heil heimgekommen, ich abends zuhause an der Ladestation angekommen.
Ich habe kein Wort verloren, welche Ladesäulen das Navi genutzt hat, ich habe kein Wort verloren, ob die Säulen ausreichend Leistung hatten. Das ist eigentlich der beste Beweis, dass das VW-Navi für den 0815-Mensch bereits so gut ist, dass Elektroauto-Fahren nicht mehr ein Studium benötigt. Ich musste keine einzige Sekunde während der Fahrt darüber nachdenken, ob ich mit dieser Ladesäule einverstanden bin. Ich bin mir bewusst: Das funktioniert nur, wenn man einen guten Grundtarif hat und dementsprechend die Ladensäulensuche egal ist. Ansonsten ist die Routenplanung wie ein heißer Tanz. Deshalb freue ich mich aber umso mehr auf 3.0.
Der Durchschnittsverbrauch war sehr langweilig: Exakt 20,0 kW/h auf 100km haben wir verbraucht.
Aber genau so muss Langstreckenerfahrung funktionieren. Subtil, ohne große Gedanken zur Planung zu haben und vor allem ohne Reichweitenangst.
Genau das macht für mich das Fahren mit dem Elektroauto gerade auf der Langstrecke mittlerweile besser als mit einem Verbrenner: Die Pausen können gut genutzt werden, um sein Laptop oder Handy zu checken, damit die Business-Dinge erledigt sind. Oder wenn man privat unterwegs ist, einfach mal die Zeit entspannt verbringen.