Nach so einigen Wochen des Auswertens mittels CarScanner und dem Testen verschiedener Taktiken, habe ich für mich ein "Optimum" gefunden, um den Winterverbrauch für meine tägliche Pendelfahrt zu minimieren.
Ausgangslage:
Strecke von 21 Km nur Stadt und Landstrasse bei einer Außentemperatur von 0 Grad.
Szenario 1 (das kennen wir alle):
Heizung auf 20 Grad. Fahrt wird ohne Vorheizen begonnen. Batterietemperatur ist unter 8 Grad, daher startet sofort die Batterieheizung. Mit 5,5 kW/h legt die Heizung los. Für die Innenraumheizung kommen nocheinmal 6 kW/h dazu. Das führt zu einem Standverbrauch von um die 11 kW pro Stunde. Je kürzer nun die Fahrstrecke, desto höher der Effekt auf den Durchschnittsverbrauch. In meinem Fall sind in diesem Szenario bis zu 34 kWh/100 Km zusammengekommen.
Szenario 2:
Vorheizen an der Streckdose. Das führt zwar dazu, dass man während der anschliessenden Fahrt weniger Energie für die Innenraumheizung braucht, aber die Energie, die ich im Stand aus der Steckdose geholt habe, kommt ja nicht aus dem Nichts. Auch wenn der angezeigte Durchschnittsverbrauch damit auf 26 kWh/100 Km sinkt, muss ich die Standheizung eigentlich mit einrechnen. Auf jeden Fall aber, kann man etwas mehr akute Reichweite herauskitzeln.
Szenario 3:
Bis hierhin wird deutlich: Beide HV Heizungen sollten nicht gleichzeitig laufen. In den Messungen habe ich festgestellt, dass es je nach Temperatur zwischen 15 und 20 Minuten dauert, bis die Batterie soweit erwärmt ist, dass die Batterieheizung abgeschaltet wird. Also: Zu Fahrtbeginn wird die Innenraumheizung komplett abgeschaltet. Nur Sitz- und Lenkradheizung sind aktiv. In diesem Zustand liegt der Standverbrauch bei knappen 6 kW/h und eben nicht bei 11 kW/h. Während der Fahrt geht die Heizleistung der Batterieheizung dynamisch zurück, je wärmer die Batterie wird. Nach ca. 15 Min. Fahrt ist die Batterie bei 12 Grad und die Heizung geht aus. Der Standverbrauch liegt dann bei 1 kW pro Stunde. Jetzt kann man die Innenraumheizung auf 20 Grad einschalten. Dabei ist folgender interessanter Effekt zu beobachten: Es wird innerhalb von Sekunden warm im Auto, die Wärmepumpe legt sofort los und anstelle der 6 kW Heizleistung liegt der maximale Standverbrauch nur bei 3,7 kW/h. Die Wärmepumpe arbeitet offensichtlich jetzt schon erheblich effektiver, als im kalten Zustand bei Fahrtbeginn (Szenario 1). Innerhalb von 1-2 Minuten sinkt der Standverbrauch auf 1,2 bis 1,8 kW/h, d.h. es wird nur noch wenig Energie für das Halten der Temperatur verbraucht.
In Szenario 3 sinkt mein Durchschnittsverbrauch auf 19 kWh/100 Km. Das ist erheblich viel weniger als in Szenario 1 und natürlich auch etwas unkomfortabler wegen der fehlenden Heizung auf den ersten Kilometern. Das ist schon fast Verbrenner-Feeling, denn mein alter Benziner war auch erst nach der Hälfte meiner Pendelstrecke wirklich warm.
Quintessenz
Man sollte es wirklich vermeiden, beide HV Heizung zur gleichen Zeit zu verwenden. Schön wäre es, wenn man das als Fahrer selbst steuern könnte. Die Heizung der Batterie hat natürlich auch Vorteile. So bin ich nach 20 Minuten Fahrt immer bereit für eine Schnellladung, ohne Vorkonditionieren zu müssen. Wir haben in der Firma einen Dienstwagen eines bekannten E-Auto-Herstellers aus Kalifornien. Damit der im Winter bei 0 Grad überhaupt mal über 75 kW am HPC Lader kommt, muss man mind. 30 Min. zuvor die Ladesäule im Navi als Ziel aktiviert haben. Lädt man mal spontan und kalt, dann muss man mit einer wahnwitzigen Ladezeit von 1:05 Std. von 10 auf 80% leben. Aber das schweift ab.
Der ID.4 hat schon eine teils recht merkwürdige Strategie beim Vorhersagen der Reichweite im Winter. Aktuell habe ich mit 30% Rest im Akku eine Reichweite von 132 Km. Das würde eine 100% Reichweite von 440 Km ausmachen. Da ich zuvor nur bis 80% geladen habe, würden also 352 Km zusammenkommen. Gefahren bin ich aktuell aber reale 267 Km. Zusammen mit dem Rest von 132 Km ergibt das eine reale Reichweite von 399 Km mit 80% Akku. Nach dem Laden hat der ID.4 eine Reichweite von 325 Km angezeigt. Etwas konservativ die Schätzung also.
Woher weiß man, dass die Akkuheizung fertig ist?
Direkt zeigt die ID Software das leider nicht an. Am besten geht die Auswertung mit einem OBD Dongle und CarScanner (oder einer anderen Software). Wenn man die Chance hat, diverse male auf der Fahrt anhalten zu müssen, reicht ein Blick auf den momentanen Verbrauch im Stand (also die kW pro Stunde). Während der Fahrt muss man schon ein gutes Gefühl für den Verbrauch je nach Fahrsituation entwickeln. Allerdings kann man als Faustformel festhalten: Bei unter 8 Grad Aussentemperatur immer erst 15 Min. fahren, bevor die Innenraumheizung aktiviert wird.
Ich hoffe sehr, dass VW zu diesem Thema eine vernünftige Standardlösung bringt. Nach meinen Daten zu urteilen, sind 50 bis 100 Km mehr Reichweite möglich, wenn man statt Szenario 1 mit Szenario 3 fährt. Aber: Es wurde ja von VW angekündigt, dass mit der kommenden Software die Schwelle für die automatische Akkuheizung auf 0 Grad gesenkt wird, d.h. wird es kälter, ist man wieder mit dem hohen Verbrauch konfrontiert. Daher wird diese Taktik auch noch in den kommenden Wintern ihre Anwendung finden, wenngleich dann hoffentlich nicht mehr so oft.